Die inhaltliche Gestaltung der Gottesdienste folgt dem Lauf des Kirchenjahres. Es meint den eigenen Rhythmus, nach dem in der christlichen Gemeinde die Wochen und Feste im Laufe eines Jahres gestaltet werden. „Das Kirchenjahr mit seiner immer erneuten Vergegenwärtigung und Darstellung des Lebens Christi bis zur Ausgießung des Heiligen Geistes ist das größte Kunstwerk der Menschen; und Gott hat sich dazu bekannt und gewährt es Jahr für Jahr... schenkt stets von neuem und stets in ganzer Fülle sein Wort... in immer neuem Licht...“ (Jochen Klepper) Die zweite Hälfte des Kirchenjahres - ohne große Feste - fragt stärker nach dem konkreten Leben in Kirche und Gemeinde. In seinen Grundzügen geht das Kirchenjahr auf die Alte Kirche zurück, so dass vieles in den verschiedenen Konfessionen in Ost und West noch gemeinsam ist. Auch steht das Kirchenjahr nicht im Gegensatz zum Naturjahr oder dem bürgerlichen Kalender. Doch hat es andere Schwerpunkte, indem es vom üblichen Zeiterleben abhebt, es überbietet oder umformt.
Mit dem Kirchenjahr sind wechselnde Farben verbunden, erkennbar an den Paramenten (an Altar und Kanzel, als Stola), die jeweils einen typischen „Ton“ se.1tzen. Weiß als Farbe des Lichts ist die Christusfarbe, die zu Weihnachten und Epiphanias sowie zur Osterzeit gehört. Demgegenüber erinnert das Schwarz als Verneinung jeder Farbe zu Karfreitag und Karsamstag an den Tod Jesu. Mit dem Violett als Bußfarbe wird im Advent und der Passionszeit jeweils ein hohes Fest angekündigt und vorbereitet. Grün lässt - in den Wochen nach Trinitatis - als ruhige Farbe an Wachsen und Gedeihen, an Hoffnung und stetigen Segen denken. Und Rot erinnert an feurige Flammen wie zu Pfingsten , an „Liebesglut“ und fordert Aufmerksamkeit für das Wirken des Heiligen Geistes.
heißt Ankunft und auch Zukunft. Im Altertum bezeichnete dieser Ausdruck den Besuch eines neuen Herrschers in seiner Stadt. Für Christen sind es die vier Wochen am Anfang des Kirchenjahres, die auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Jeden Sonntag wird eine weitere Kerze am Adventskranz entzündet. Neben der Erinnerung an das erste Kommen Jesu wie einst beim Einzug in Jerusalem (1. Advent) steht der Ausblick auf seine Wiederkunft am Ende der Zeiten (2. Advent) Zwei biblische Gestalten zeigen zudem die Spannung, die zur Adventszeit gehört: Der herbe Bußprediger Johannes der Täufer, der den Weg des Messias bereiten soll, (3. Advent) und Maria, die Mutter Jesu, der die Geburt des Retters verkündigt und die so zur Frau „in guter Hoffnung“ wird (4. Advent). In vielen Gemeinden und darüber hinaus wird bereits vorweihnachtlich gefeiert, während die Geschäftigkeit der Festvorbereitungen einer Einkehr und Besinnung eher hinderlich sein mag. Das Violett als liturgische (Buß-)Farbe setzt für diese Zeit durchaus auch einen fragenden Ton: „Wie steht es mit den Erwartungen für das eigene Leben, für Familie und Freundschaft, für das Miteinander hierzulande und unter den Völkern, für den Lauf der Welt?“ Zur Bitte „O Heiland, reiß die Himmel auf“ tritt die Zusage: „Freut euch! Der Herr ist nahe.“ (Philipper 4).
umfasste ursprünglich die zwölf „geweihten“ Nächte, die mit der Nacht zum 25. Dezember beginnen, in der die Geburt Jesu gefeiert wird, und die bis zum 6. Januar dauern, Epiphanias (Erscheinung) genannt. Weil sich neben „Bethlehem“ und „zur Zeit des Kaisers Augustus“ nichts Genaueres über ein Geburtsdatum Jesu findet, hat der Termin des Christfestes symbolische Bedeutung. In der dunkelsten Zeit des Jahres, während in Rom die „Unbesiegbare Sonne“ als Gott verehrt wurde und Germanen das wilde Treiben finsterer Mächte fürchteten, bekennen Christen mit diesem Fest: In Jesus ist das Licht der Welt erschienen. Als Mensch, der als Kind in der Krippe zu finden ist, so ist Gott zur Welt gekommen. Dieses „menschliche“ Maß hat dem Christfest eine besondere Akzeptanz verliehen, was die Bekanntheit der Geburtsgeschichte (Lukas 2) und viele volkstümliche Weihnachtslieder zeigen. Der Brauch des Schenkens zu diesem großen Familienfest kann auf die Zuwendung Gottes verweisen: „Also hat Gott die Welt geliebt... (Johannes 3) Davon soll auch menschliches Miteinander bestimmt sein. Epiphanias am 6. Januar mit den „Weisen aus dem Morgenland“ und die folgenden Wochen zeigen anschaulich,wie durch Jesu Erscheinen, seine Verkündigung und sein Handeln Lebensverhältnisse verwandelt werden (Geringssein in Größe, Mangel in Fülle, Fremdheit in Nähe, Angst in Vertrauen, Verklärung).
ist die Bereitschaft, Leiden auf sich zu nehmen und ist ein unübersehbares Kennzeichen des Weges Jesu von Nazareth. Er setzt sich nicht nur der irdischen Begrenztheit, den Wirkungen von Schuld und Versagen, der Vergänglichkeit und dem Tod aus, sondern er duldet das schmachvolle und quälende Sterben am Kreuz. Dass dies in Einklang mit dem Willen Gottes geschieht, ist für viele andere Religionen, Weltanschauungen und Philosophien nicht nur unverständlich, sondern anstößig. Christen erkennen aber gerade darin die tiefste Zuwendung Gottes zur Welt, seine Versöhnung, seine Überwindung von Sünde und Tod. Mit dem Aschermittwoch beginnen vierzig Tage, in denen Christen liturgisch den Weg Jesu hinauf nach Jerusalem (Estomihi) begleiten und sich dabei der Bedrohung (Invokavit) und dem Ausgeliefertsein (Reminiszere), dem Ruf zur Nachfolge (Okuli) und dem Beispiel der Hingabe Jesu (Lätare, Judika) stellen. Wenngleich es auch Durchgang (Passa) zu neuem Leben ist, bleibt die Karwoche und der Karfreitag zugleich Höhe- und Tiefpunkt des Weges Jesu. Große Kirchenmusik wie die Passionen J.S. Bachs suchen die Botschaft vom Kreuz zu vertiefen. Als Zeit des Fastens, bei dem es um Einladung zur Umkehr, Selbstprüfung und Verzicht geht, ist diese Zeit von evangelischen Christen neu entdeckt worden. Das liturgische Violett als Bußfarbe unterstreicht diese Bedeutung.
ist in den germanischen Sprachen der Name für die Feier der Auferstehung Christi (ableitet von der „Morgenröte“). Hier ist die innere Mitte des Kirchenjahres und der Ausgangs- und Bezugspunkt des christlichen Glaubens. 40 Tage (bis Christi Himmelfahrt) bzw. 50 Tage (bis Pfingsten) dauert diese Festzeit. Was schon den jährlich wechselnden Termin (Frühlingsbeginn - Vollmond - Sonntag) bestimmt, wird in der Osternacht deutlich: Es geht um Erneuerung der Schöpfung, um Befreiung wie einst beim Auszug aus Ägypten (Passa), um Überwindung des Todes durch die Auferweckung des Gekreuzigten. Auch der Sonntag, der Ruhe- und Feiertag der Christen, soll allwöchentlich daran erinnern. Neues Leben ist mit der Auferstehung eröffnet worden, der Grund zu erneuerter Freude (Jubilate), zu erneuertem Singen (Kantate),zu erneuertem Beten (Rogate). Mit der Himmelfahrt Christi wird deutlich, dass seine Gegenwart nun nicht mehr der Beschränkung nach Raum und Zeit unterworfen ist, sondern er bei uns ist „alle Tage bis an die Enden der Erde“ (Matthäus 28). Das Weiß als leuchtende Christusfarbe hebt den festlichen Charakter dieser Zeit hervor. Die Osterkerze brennt an diesen Tagen, immer wenn die Kirche geöffnet ist. Nach Pfingsten wird sie jeweils dann entzündet, wenn eine Taufe gefeiert wird, um damit deren Zusammenhang mit Tod und Auferstehung Christi (Römer 6) anzudeuten.
hat seinen Namen vom „fünfzigsten“ Tag nach Ostern (griechisch: pentekoste). Es ist sowohl Abschluss der Osterzeit, als auch ein eigenständiges Fest, das an die Sendung des Geistes auf die erste Gemeinde in Jerusalem erinnert. Das Rot als liturgische Farbe bringt das Feurige des Heiligen Geistes (Apostelgeschichte 2), seine Wirkung als Liebe (Römer 5) wie auch die Befähigung zur Lebenshingabe zur Geltung. Pfingsten kann als „Geburtstag der Kirche“ begriffen und durchaus einer „Konfirmation“: verglichen werden. Es markiert den Übergang, dass Christen seitdem zu einer eigenständigen, selbstverantwortlichen Wahrnehmung und Bezeugung des Glaubens berufen sind. Sie werden dazu vom Heiligen Geist „mit seinen Gaben erleuchtet, geheiligt und erhalten“ und „mit der ganzen Christenheit auf Erden gesammelt“ (Martin Luther). Um diesen von Jesus verheißenen Tröster, der an seine Verkündigung „erinnern“ (Johannes 14) und „in alle Wahrheit leiten “ wird (Johannes 16) , bittet die Kirche immer neu:, zumal er kein fester Besitz ist, sondern er zum Glauben wirkt, „ wo und wann er will“ (Augsburgisches Bekenntnis):„Veni Creator Spiritus - Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist, besuch das Herz der Menschen dein, mit Gnaden sie füll; denn du weißt, dass sie dein Geschöpfe sein“ (nach Hrabanus Maurus)
sucht das christliche Nachdenken über die Erfahrung Gottes mit einem Begriff zu fassen: Dreieinigkeit (auch Dreifaltigkeit) - Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Nach dem Trinitatisfest folgen viele „grüne“ Wochen - es können bis zu 24 sein -, die miteinander entfalten, was es heißt, als Gemeinde Jesu durch die Zeit - von Ostern und Pfingsten hin zur ewigen Vollendung - auf dem Weg zu sein. Es geht darum, in Verantwortung vor dem Schöpfer, in der Nachfolge Jesu von Nazareth und im Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geist ein Leben aus dem Glauben zu gestalten. Einzelne Sonntage thematisieren, wie Christen sich verstehen und verhalten: gegründet auf das Zeugnis der Apostel und Propheten, selbst zu Christus eingeladen und andere einladend, im Vertrauen auf das Wort von der Versöhnung, durchaus weiter als eine Gemeinde der Sünder, vom rettenden Ruf zur Nachfolge getroffen, von der Zusage in der Taufe herkommend, am Tisch des Herrn immer wieder zum Abendmahl versammelt, durch die Gaben des Geistes beschenkt und gefordert... Der 10. Sonntag nach Trinitatis ist besonders dem Verhältnis von Juden und Christen gewidmet Die biblischen Texte an anderen Sonntagen zeigen u.a. das Beispiel von Pharisäer und Zöllner, das Vorbild des barmherzigen Samariters oder sie fragen nach den Ordnungen Gottes oder dem Leben als Kirche in der Welt.
sind nicht so häufig begangene Gedenktage, die jeweils - um etwa ein halbes Jahr versetzt - die beiden großen Feste des Kirchenjahres in Erinnerung rufen, deren liturgisches Weiß auch hier aufscheint: Am 24. Juni auf der Höhe des Jahres weist die Geburt Johannes des Täufers über sich hinaus auf Jesus, den kommenden Messias. Johannes kann sich ihm gegenüber in seiner Bedeutung zurücknehmen: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ (Johannes 3) Am 29. September im beginnenden stürmischen Herbst gibt es mit dem Fest „Michael und alle Engel“ einen Rückbezug auf Ostern, den Sieg, der mit der Auferstehung Christi errrungen ist. Die Überwindung letzter Bedrohung durch Gott vergewissert dem Leben der Menschen letzte Bewahrung durch Gott Engel sind in der biblischen Tradition Boten Gottes, die seinen guten Willen vergegenwärtigen. Das mag kämpferisch-helfend sein wie mit Michael (Offenbarung 12 ) oder verkündigend-tröstlich wie mit Gabriel (Lukas 1) oder heilsam, begleitend und schützend wie mit Rafael (Tobias 12). Als „dienstbare Geister“ (Hebräer 1) stehen sie für die persönliche Nähe Gottes ein: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ (Dietrich Bonhoeffer)
wird nicht nur auf dem Lande sondern auch in der Stadt gefeiert, denn es geht um mehr als das Ernten auf Feldern, in Weinbergen und Hausgärten. Auch wenn ein besonderer Altar zumeist mit geernteten Früchten geschmückt wird, geht es bei diesem Fest grundlegend um den Zusammenhang von menschlicher Arbeit und Anstrengung und dem empfangenen Segen, über den nur Gott verfügt: „Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott“ (Matthias Claudius) Das wird im Blick auf die Nahrung, die wir brauchen, und die Natur, von der wir in hohem Maße abhängig sind, besonders deutlich. Dass die zur Kirche gebrachten Gaben anschließend denen weitergegeben werden, die Unterstützung nötig haben, zeigt den inneren Zusammenhang von Dankbarkeit und Bereitschaft zum Teilen als praktizierter Nächstenliebe. „Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht, denn solche Opfer gefallen Gott.“ (Hebräer 13) In den letzten Jahren ist der Wunsch nach einem eigenem „Tag der Schöpfung“ laut geworden, nicht nur, um den Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung zu unterstreichen, sondern um eine Frömmigkeit zu entwickeln, in der die staunende Dankbarkeit über die Wunder der Schöpfung deutlicher betont wird. „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ (Psalm 104)
ist nach dem Selbstverständnis der evangelische Kirche eine ständige Aufgabe für sie selbst. Dazu soll beispielhaft und hervorgehoben an den Thesenanschlag Martin Luthers am 31. Oktober 1517 in der Schlosskirche zu Wittenberg erinnert werden. Mit der Betonung von Gnade und Glaube und der Berufung auf das „Evangelium“ in der Bibel als Quelle und Maßstab der Verkündigung wird das eigene „evangelische“ Profil gezeigt, ohne die ökumenische Verpflichtung zu vergessen und den Schmerz über die Trennungen der Christenheit zu verdrängen. Noch weitere Gedenktage sind der Besinnung auf die „eine, heilige,allgemeine und apostolische Kirche“ (Nicänisches Glaubensbekenntnis) gewidmet, was es also heißt als Christ zur „Gemeinschaft der Heiligen“ (Apostolisches Glaubensbekenntnis) zu gehören und von einer „Wolke von Zeugen“ des Glaubens (Hebräer 12) umgeben zu sein. So werden da und dort noch einzelne Aposteltage wie Petrus und Paulus am 29. Juni begangen oder Märtyrertage wie Stephanus am 26. Dezember, aber auch an Glaubenszeugen der älteren und neueren Geschichte könnte gedacht werden. Ebenso erinnert das Gedenken der Kirchweihe (im Oktober oder nach örtlicher Regelung) Christen an ihren Auftrag: „Als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Haus und zur heiligen Priesterschaft.“ (1. Petrus 2) Das liturgische Rot als Farbe des Heiligen Geistes verbindet alle diese Feste der Kirche.
in die Zeit leuchte hell hinein“, so singt ein Lied am Ende des Kirchenjahres. Die Konfrontation mit einem Ende lässt Christen in zweifache Richtung schauen: hoffnungsvoll über das Irdische hinaus auf eine Vollendung, wo „weder Tod noch Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr sein wird“ (Offenbarung 21), zugleich nüchtern prüfend zurück auf dies begrenzte Leben mit der Frage Jesu: „Was habt ihr getan?“ (Matthäus 25) Der Friedenssonntag und der Buß- und Bettag stellen sich nicht nur ethischen Fragen zur persönlichen Lebensgestaltung sondern auch dem Auftrag zur Weltverantwortung des Glaubens. Den Erfahrungen des Versagens, Scheiterns und der Schuld begegnet die Zusage von Vergebung, die Neuanfänge ermöglicht. Am Letzten Sonntag im Kirchenjahr werden oft die Namen der Verstorbenen im Gottesdienst genannt. Die Hoffnung des ewigen Lebens eröffnet einen Horizont, vor dem Christen Abschied nehmen können und der dem eigenen Leben selbst angesichts dunkler Seiten Zuversicht und Ermutigung bietet. Entsprechend steht am Ende des Stammteils unseres Gesangbuches die Vision: „Gloria sei dir gesungen / mit Menschen- und mit Engelzungen,/ mit Harfen und mit Zimbeln schön. / Von zwölf Perlen sind die Tore / an deiner Stadt,wir stehn im Chore / der Engel hoch um deinen Thron. / Kein Aug hat je gespürt, / kein Ohr hat mehr gehört / solche Freude. / Des jauchzen wir / und singen dir, / das Halleluja für und für.“ (Philipp Nicolai)